Marderhund (Enok)
(Nyctereutes procyonoides)
Erkennungsmerkmale
Der Marderhund hat eine Körperlänge von 50 - 75 cm; sein buschiger Schwanz hat eine Länge von 15 - 25 cm. Die Schulterhöhe beträgt 20 - 30 cm. Sein Gewicht schwankt zwischen 4 und 10 kg. Sein Fell ist graubraun meliert, wobei Beine und Brust dunkler sind. Auffallend ist seine schwarze Gesichtsmaske, die zwischen den Augen unterbrochen ist, und der Wangenbart. Die Ohren sind klein und rundlich.
Status in Österreich
V | T | S | K | Stmk | O | N | W | B |
C | C | E | C | E | E | E | UN | E |
E = etabliert, C = unbeständig, EF = Einzelfund, UN = unbekannt, EX = erloschen, AG = ausgerottet |
Der Marderhund stammt ursprünglich aus Ostasien. Er hat als Gefangenschaftsflüchtling aus Pelzfarmen in Osteuropa Anfang der 1960er-Jahre Österreich erreicht. Die ersten Nachweise stammen aus dem Waldviertel. In Nieder- und Oberösterreich gilt er als etabliert. Ähnlich ist die Situation in der Steiermark, im Burgenland und in Salzburg, auch wenn nicht alle Meldungen gesichert sind. In der Steiermark wurde der Marderhund bei einer Erhebung 2018 in 50 Jagdrevieren nachgewiesen, die Jagdstrecken sind auf Grund seiner versteckten Lebensweise noch sehr gering.
Verbreitung in Europa
In Europa ist der Marderhund von Finnland bis zum Balkan und von Polen bis nach Frankreich verbreitet, wobei der Schwerpunkt im Norden und Osten liegt. Die Tiere zeigen zwar meist keinen großen Aktionsraum, können aber Distanzen bis zu 20 km pro Nacht bzw. 120 km/Jahr zurücklegen.
Auswirkungen des Klimawandels
Es wird angenommen, dass der Klimawandel, insbesondere eine Erhöhung der mittleren Jahrestemperatur, eine Verringerung der Mächtigkeit und Dauer der Schneedecke im Winter sowie eine Verlängerung der Vegetationsperiode, die weitere Ausbreitung der Art, auch in höhere Lagen, begünstigt. Ob der Klimawandel die Biologie (z. B. Winterruhe) beeinflusst, ist unbekannt.
Biologie und Ökologie
Der Marderhund besiedelt feuchte Laub- und Mischwälder und bevorzugt jene mit viel Unterholz. Marderhunde sind dämmerungs- und nachtaktiv. Der Marderhund ist monogam. Als einziger Vertreter der Hunde hält er in kalten Gegenden eine Winterruhe. Zur Winterruhe und zur Aufzucht der Jungen (6 - 10 Welpen) werden von April bis Mai gerne alte Fuchs- und Dachsbaue besiedelt.
Negative ökologische Auswirkungen
Der omnivore Marderhund ernährt sich von verschiedenen Beutetieren (Regenwürmern, Insekten, Weichtieren, Amphibien, Reptilien, Nagetieren, Vögel), von Pflanzen (Obst, Wurzeln, Gräser) und auch Aas. Ob Konkurrenz mit anderen Beutegreifern, besonders Dachs und Fuchs besteht, ist unbekannt.
Negative ökonomische Auswirkungen
Die Übertragung von Krankheiten kann Nutztiere betreffen. Landwirtschaftliche Schäden im Maisanbau sowie in der Erdbeer-, Brombeer- und Heidelbeerzucht sind dokumentiert. Die Kosten für das Management gegen den Marderhund in Litauen werden auf rund eine halbe Million Euro pro Jahr geschätzt.
Positive ökonomische Auswirkungen
Grundsätzlich Tierzucht (Pelzhandel), diese spielt aber in der EU nur noch in Finnland eine Rolle. Außerhalb der EU, insbesondere in China, findet die Zucht und der Handel mit Pelztieren noch in erheblichem Umfang statt.
Negative gesundheitliche Auswirkungen
Der Marderhund kann Parasiten (Fuchsbandwurm) und Krankheiten (Tollwut) übertragen.
Managementmaßnahmen
Ziele
Obwohl der Marderhund in Österreich nur selten und meist vereinzelt beobachtet wird, ist eine vollständige Beseitigung nicht mehr möglich. Die nachtaktive und versteckte Lebensweise erschwert Management- und Überwachungsmaßnahmen. Das Ziel der Maßnahmen ist eine Eindämmung der Vorkommen und die Verhinderung der weiteren Ausbreitung innerhalb Österreichs.
Allgemeine Aspekte
Der Marderhund gilt als „jagdbares Wild" im Sinne der Landesjagdgesetze in allen Bundesländern, außer in Vorarlberg. Maßnahmen können gegebenenfalls legistische Anpassungen in den Bundesländern notwendig machen. In allen Bundesländern ist der Marderhund ganzjährig, ohne Schonzeit, jagdbar. Die Sammlung und Weitergabe der Abschussmeldungen an die zuständige Behörde zur Umsetzung der IAS-Verordnung sollte gewährleistet werden. Die Pelze können zur Verarbeitung an Kürschner weitergegeben werden.
Systematischer Abschuss
Der systematische Abschuss der Tiere wird empfohlen. Eine vollständige Beseitigung der Art ist durch diese Maßnahme - aufgrund des hohen Reproduktionspotenzials, der nächtlichen und verborgenen Lebensweise sowie des vermutlich regelmäßigen Zuwanderns aus Nachbarländern - jedoch nicht zu erwarten.
Der Marderhund gilt als „jagdbares Wild" im Sinne des § 2 Steiermärkisches Jagdgesetz. Der Marderhund ist ganzjährig, ohne Schonzeit, jagdbar. Die zur Jungenaufzucht notwendigen Elterntiere sind in der Setzzeit jedoch geschont. § 59 (3) des Steiermärkischen Jagdgesetzes erlaubt folgende Ausnahme von der Ausschließlichkeit des Jagdrechts:
„Zum Schutz der Kleinhaustiere dürfen ... Marderhunde ... in Häusern, Gehöften und Höfen von den Besitzerinnen/Besitzern oder ihren Beauftragten, auch wenn diese Personen nicht im Besitz einer Jagdkarte sind, ohne Bewilligung der/des Jagdausübungsberechtigten lebend gefangen oder mit einer Schusswaffe getötet werden, wobei die übrigen Bestimmungen des Jagdgesetzes einzuhalten sind. Das gefangene oder getötete Tier ist der/dem Jagdausübungsberechtigten zu übergeben."
Empfohlen wird der gezielte Ansitz in bevorzugten Habitaten, während Bau- und Drückjagd als wenig effizient gesehen werden. In Skandinavien wurden gute Erfolge durch den Einsatz von „Judas-Tieren" erzielt, d. h. eingefangene Tiere werden mit Peilsender ausgestattet, wieder freigesetzt und führen die Jäger so zu Artgenossen.
Alle Jagdausübungsberechtigten haben alle in ihrem Revier erlegten Marderhunde (inkl. Fallwild) bis spätestens Ende des Jagdjahres (31.03.) beim Landesjagdamt zu melden (Formular Niederwildmeldung). Dieses hat alle Meldungen von invasiven Tieren - nach Arten zusammengefasst - schriftlich an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung Abt. 10 (Landesforstdirektion) binnen 4 Wochen zu übermitteln. Hier erfolgt die Aufarbeitung der Daten (Verbreitungskarten) und die Weiterleitung an den Bund für die ordnungsgemäße Meldung nach Brüssel.
Lebendfang
Durch ihre omnivore Ernährung lassen sich Marderhunde erfolgreich mit unterschiedlichen Fangvorrichtungen einfangen. Drahtkasten- oder Holzkastenfallen sowie Betonrohrfallen können lokal erfolgreich eingesetzt werden. Der Betreuungsaufwand, um negative Auswirkungen auf Nicht-Zielarten zu vermeiden, ist jedoch hoch. Die lebend gefangenen Tiere können den rechtlichen Vorgaben entsprechend getötet werden. Eine Haltung in Auffangstationen wird nicht empfohlen. Abgerichtete Jagdhunde sind effizient beim Aufspüren von Marderhunden, die Baujagd wird aber nicht empfohlen.
Einrichtung von Schutzvorrichtungen
Kleinräumig bzw. lokal können sensible Lebensräume gefährdeter Vögel, Amphibien und Reptilien (z. B. kleine Teiche, Horstbäume, Schildkrötengelege), zumindest temporär, durch Umzäunung oder andere Schutzvorrichtungen, geschützt werden; in jedem Fall sind mögliche unerwünschte Nebeneffekte (z. B. das Kenntlichmachen von Greifvogel-Horstbäumen) zu bedenken.
Weitere mögliche Maßnahmen
Die Verabreichung von Verhütungsmitteln per Futterköder könnte potenziell an Standorten, wo ein Abschuss nicht möglich ist, z. B. in Stadtnähe oder in Kleingartenanlagen, zum Einsatz kommen. Die Machbarkeit einer solchen Maßnahme erfordert jedoch noch weitere wissenschaftliche Untersuchungen, insbesondere was die Wirksamkeit und mögliche veterinärrechtliche Bestimmungen anlangt.
Öffentlichkeitsarbeit
Es ist unklar, ob Marderhunde als Heimtiere privat gehalten werden. Maßnahmen zur Aufklärung der Folgen einer unabsichtlichen Ausbringung in die Natur sind auf lokaler und regionaler Ebene erforderlich. In Tierparks oder Tierhaltungen ist die Art in Österreich nur sehr selten vertreten.
Forschung und Überwachung
Weitere Untersuchungen zur Verbreitung und die Überwachung (z. B. Fotofallen) der Populationsentwicklung in Österreich werden empfohlen, insbesondere in alpinen und inneralpinen Regionen, um gegebenenfalls frühzeitig bestandsregulierende Maßnahmen umzusetzen.
Verwechslungsmöglichkeiten
Der Marderhund hat Ähnlichkeit mit dem ebenfalls gebietsfremden invasiven Waschbär, dessen Fell jedoch buschiger ist und der keinen gebänderten Schwanz und rundere Ohren hat.
Literatur
DAHL, F. & Åhlén, P.-A. (2017): Information on measures and related costs in relation to species included on the Union list: Nyctereutes procyonoides. Technical note prepared by IUCN for the European Commission: 37 S. https://circabc.europa.eu/sd/a/dbf2f4b9-ad9d-4ab0-a52d-9becc57caffe/TSSR-2016-003%20Nyctereutes%20procyonoides.pdf
IUCN (2017): Information on non-lethal measures to eradicate or manage vertebrates included on the Union list. Technical note prepared by IUCN for the European Commission.
https://circabc.europa.eu/sd/a/518231a9-abdd-47b1-b455-9d78a7e98f0e/Non-lethal%20measures.pdf
SCHEIBNER, C. et al. (2015): Naturschutzfachliche Managementempfehlungen. Nyctereutes procyonoides - Marderhund. In: BfN (Hrsg.) Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland. Band 2: Wirbellose Tiere und Wirbeltiere. Naturschutz und Biologische Vielfalt 141(2): 571- 580.