Nutria
(Myocastor coypus)
Erkennungsmerkmale
Der Nutria ist 40 bis 65 cm groß und besitzt einen 30 - 45 cm langen, runden Schwanz. Nutrias können bis zu 10 kg schwer werden. Männliche Nutrias werden größer als die Weibchen. Das Fell ist oberseits rotbraun und unterseits grau gefärbt. Besonders auffallend sind die meist orange gefärbten Nagezähne. An den Hinterfüßen haben Nutrias zwischen den Zehen Schwimmhäute.
Status in Österreich
V | T | S | K | Stmk | O | N | W | B |
UN | C | C | C | E | EX | E | EX | E |
E = etabliert, C = unbeständig, EF = Einzelfund, UN = unbekannt, EX = erloschen, AG = ausgerottet |
In den 1920er- und 1930er-Jahren existierten bereits mehrere Nutriazuchten (Pelzfarmen) in Niederösterreich und Salzburg. Die Felle waren vor allem wegen ihrer dichten und äußerst feinen Unterwolle begehrt, Auch in der Steiermark gab es bis vor 30 Jahren Nutriafarmen (z. B. Graz Maria Trost). Die Jagdstrecke in der Steiermark schwankt aktuell zwischen 600 - 800 Stück/Jahr. Konkrete populationsbiologische Studien liegen derzeit nicht vor. Die eigenständige Ausbreitung erfolgt langsam; Jungtiere können über geringe Distanzen, bevorzugt entlang von Gewässern, abwandern.
Verbreitung in Europa
Im 19. Jahrhundert für Zoologische Gärten insbesondere für Pelzfarmen nach Europa gebracht, sind die ersten Verwilderungen der Nutrias durch Freisetzungen und Gefangenschaftsflüchtlinge in Österreich in den 1930er-Jahren bekannt. Die Art ist in Europa weit verbreitet und vor allem in Frankreich und Italien häufig. Auf der Iberischen Halbinsel fehlend, in Skandinavien und Irland konnten sich die Populationen nicht dauerhaft halten, in Großbritannien wurden Nutrias erfolgreich ausgerottet. Die Mortalitätsraten könnten in Zukunft durch mildere Winter regional zurückgehen.
Die absichtliche Freisetzung von Tieren und das unabsichtliche Entkommen aus Tierparks oder aus Gehegen von privaten Züchtern sind auch aus jüngster Zeit dokumentiert.
Auswirkungen des Klimawandels
Strenge Winter limitieren das Populationswachstum, weshalb anzunehmen ist, dass die Art von milderen Wintern profitieren wird.
Biologie und Ökologie
Semiaquatisch an den Ufern von Still- und Fließgewässern mit reichlich Pflanzenbewuchs. Weibchen werfen 1 - 3 mal im Jahr 4 - 6 Junge, die nach 5 - 6 Monaten geschlechtsreif werden. Nutrias können bis zu 10 Jahre alt werden. Nutrias leben gesellig, sie schwimmen und tauchen sehr gut und sind dämmerungsaktiv. Sie graben Erdbauten im Uferbereich, oberhalb der Wasserlinie und ernähren sich überwiegend von Wasserpflanzen, aber auch von Hackfrüchten. Seltener fressen sie auch Schnecken, Würmer und Süßwassermuscheln.
Negative ökologische Auswirkungen
Da sich Nutrias überwiegend von Wasserpflanzen ernähren, können sie durch ihre selektive Fraßtätigkeit direkte negative Auswirkungen auf die Population gefährdeter und geschützter Unterwasserpflanzen und die Ufervegetation haben. Dadurch werden Sukzessionsabläufe und die Lebensraumstruktur (z. B. Brut- und Laichhabitate) für Vögel, Fische, Amphibien und Insekten an und in den Gewässern verändert. Sie können auch den Erreger der Krebspest zwischen nicht verbundenen Gewässern ausbreiten.
Negative ökonomische Auswirkungen
Die grabende Tätigkeit der Tiere im Uferbereich kann zu Schäden an Dämmen oder Wegen führen. Landwirtschaftliche Schäden durch die Fraßtätigkeit in Feldern sind dokumentiert.
Negative gesundheitliche Auswirkungen
Es sind keine bedeutenden negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit bekannt. Die Übertragung von Parasiten (Trichiniella, Toxoplasma, Leptospira) durch den Verzehr von Nutriafleisch oder Kontakt mit Tieren oder Wasser ist aber möglich.
Managementmaßnahmen
Ziele
Die vollständige Beseitigung kleinerer Populationen erscheint durch die Kombination von Maßnahmen - insbesondere nach kalten Wintern und über mehrere Jahre möglich. Größere Populationen sind schwieriger und nur über längere Zeiträume zu bekämpfen, die Bestandsreduktion dient vorsorglich der Vermeidung der weiteren Ausbreitung. Das Ziel der Maßnahmen ist eine Eindämmung der Vorkommen und die Verhinderung der weiteren Ausbreitung innerhalb Österreichs.
Allgemeine Aspekte
Der Nutria wird derzeit in den Landesjagdgesetzen unterschiedlich geregelt. Maßnahmen können gegebenenfalls legistische Anpassungen in den Bundesländern notwendig machen. In Salzburg und in der Steiermark ist die Art ohne Schonzeit als Wildart enthalten. Die Pelze können zur Verarbeitung an Kürschner weitergegeben werden.
*§59 (2) des Steiermärkischen Jagdgesetzes sieht vor:
„Bisam und Nutria dürfen auch ohne Festsetzung einer Jagdzeit nach § 49 Abs. 1 außer von der/vom Jagdausübungsberechtigten auch von Grundeigentümerinnen/Grundeigentümern, Grundbesitzerinnen/Grundbesitzern oder deren Beauftragten gefangen oder getötet werden. Das gefangene oder getötete Tier ist der/dem Jagdausübungsberechtigten zu übergeben. Hiebei dürfen von der/dem Jagdausübungsberechtigten bei Gefahr in Verzug, insbesondere zur Vermeidung volkswirtschaftlicher Schäden, mit Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde Abzugeisen verwendet werden. Genehmigungen sind im Interesse der Sicherheit und des Tierschutzes an Auflagen (z. B. Nachweis spezieller Kenntnisse, Kennzeichnung, technische Spezifikation der Falle, Kontrolle und Verblenden der Fangvorrichtungen) und Befristungen zu binden."
Systemischer Abschuss
Die gezielte Bejagung von Nutrias kann eine wirksame Maßnahme darstellen. Bestimmte Auflagen sind denkbar, z. B. Abschuss nur an Land (bei bekannten Bibervorkommen in der Region zur Vermeidung von Verwechslungen). Aufgrund der erhöhten Reproduktion nach Beseitigungsmaßnahmen und einer standortabhängigen möglichen Wiederbesiedlung von benachbarten Vorkommen ist die Effizienz des gezielten und systematischen Abschusses im Einzelfall zu prüfen. Die Maßnahme scheint - insbesondere in Kombination mit anderen Maßnahmen - bei kleineren Beständen geeignet, um lokale Populationen zu beseitigen.
Alle Jagdausübungsberechtigten haben alle in ihrem Revier erlegten Nutrias (inkl. Fallwild) bis spätestens Ende des Jagdjahres (31.03.) beim Landesjagdamt zu melden (Formular Niederwildmeldung). Dieses hat alle Meldungen von invasiven Tieren - nach Arten zusammengefasst - schriftlich an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung Abt. 10 (Landesforstdirektion) binnen 4 Wochen zu übermitteln. Hier erfolgt die Aufarbeitung der Daten (Verbreitungskarten) und die Weiterleitung an den Bund für die ordnungsgemäße Meldung nach Brüssel.
Lebendfallen
Lebendfallen im Bereich der Wohnbauten, an Wechselpfaden oder auf Flößen auf den Gewässern bekannter Vorkommen sind wirksam. Nutrias im städtischen Bereich zeigen oft eine geringe Fluchtdistanz. Die Effektivität von Drahtkastenfallen kann durch Köder (Nahrung, Analdrüsensekret) und Barrieren bzw. andere angelegte Leitstrukturen erhöht werden, die die Tiere in die Fallen lotsen. Fallen auf Flößen sind effektiver als Fallen an Land.
Eine vollständige Beseitigung durch Fallenfang ist - je nach Größe und Isolation der Population - nur über mehrere Jahre möglich. Die Fallen sind täglich (in der Früh und am Abend) zu kontrollieren, unerwünschte Beifänge von Nicht-Zielarten können wieder freigesetzt werden. In Italien konnte die Ausbreitung durch zwei Fangperioden (über mehrere Tage) pro Jahr reduziert werden. Die lebend gefangenen Tiere können den rechtlichen Vorgaben entsprechend getötet und in Einrichtungen entsorgt werden. Eine verordnungskonforme Tierhaltung wird nicht empfohlen.
Totschlagfallen:
Schlagfallen im Bereich bekannter Vorkommen können wirksam sein. Der Einsatz von Abzugeisen ist im Steiermärkischen Jagdgesetz geregelt. Totschlagfallen sind nicht-selektiv, es besteht z. B. das Risiko des Fangs von Bibern. Der Einsatz bedarf besonderer Fachkenntnisse und erfordert einen sehr sorgsamen Umgang, um eine Gefahr für Menschen und andere Tiere (auch Haustiere) auszuschließen.
Fütterungsverbot bzw. -verzicht
Es ist anzunehmen, dass zumindest einige Nutria-Populationen in Österreich nur aufgrund der regelmäßigen Winterfütterung durch die Bevölkerung (vor allem im urbanen bzw. semi-urbanen Bereich) die Wintermonate überleben bzw. die Mortalitätsraten verringert werden. Ein ganzjähriges Fütterungsverbot kann die Wintermortalität erhöhen und unter Umständen kleinere Populationen nach einiger Zeit zum Erlöschen bringen. Da die Fütterung der Tiere in der Regel durch einige wenige Personen erfolgt, die große Sympathie für die Tiere haben, muss durch entsprechende Aufklärungsarbeit vor Ort versucht werden, die Tätigkeiten einzustellen. Zu beachten und eventuell lokal einzuschränken sind die indirekte Unterstützung durch Entenfütterung und gewässernahe Wildfütterung. Das Ankirren in Zusammenhang mit jagdlichen Maßnahmen ist vom Fütterungsverbot auszunehmen.
Sonstige Maßnahmen:
Zur Vermeidung bzw. Reduktion von Fraßschäden an Kulturpflanzen und Schäden an Gewässerufern können kleinräumig bzw. lokal Schutzzäune errichtet werden.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Umsetzung von Fütterungsverboten oder -verzichten bzw. Maßnahmen im urbanen Bereich erfordern eine begleitende Aufklärung und Informationsbereitstellung auf lokaler und regionaler Ebene.
Forschung und Überwachung
Untersuchungen zur Verbreitung und Populationsentwicklung in Österreich werden empfohlen. Überwachung und Monitoring von etablierten Vorkommen, insbesondere hinsichtlich möglicher Populationszunahmen und Arealerweiterungen, sollten durchgeführt werden. Untersuchungen bzw. Fallstudien zu den konkreten Auswirkungen der Art in Österreich sollten durchgeführt werden.
Verwechselungsmöglichkeiten
Der Nutria könnte mit dem heimischen Biber verwechselt werden, der aber größer ist und einen breiten, abgeflachten Schwanz hat.
Weitere Informationen
Nutriafleisch gilt als sehr schmackhaft und wird in Südamerika regelmäßig verzehrt. Im Geschmack soll es mit Spanferkel vergleichbar sein. Vor dem Verzehr sollte jedoch eine Trichinenbeschau durchgeführt werden.
Literatur
Gosling, L. & Baker, S. (1989): The eradication of muskrats and coypus from Britain. Biol. J. Linn. Soc. 38: 39 - 51.
IUCN (2017): Information on non-lethal measures to eradicate or manage vertebrates included on the Union list. Technical note prepared by IUCN for the European Commission.
https://circabc.europa.eu/sd/a/518231a9-abdd-47b1-b455-9d78a7e98f0e/Non-lethal%20measures.pdf
Panzacchi, M. et al. (2007): Population control of coypu Myocastor coypus in Italy compared to eradication in UK: a cost-benefit analysis. Wildl. Biol. 13: 159 - 171.
Scheibner, C. et al. (2015): Naturschutzfachliche Managementempfehlungen. Myocastor coypus - Nutria. In: BfN (Hrsg.) Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland. Band 2: Wirbellose Tiere und Wirbeltiere. Naturschutz und Biologische Vielfalt 141(2): 553 - 561.
Walther, B. et al. (2011): Approaches to deal with the coypu (Myocastor coypus) in urban areas - an example of practice in southern Brandenburg, Germany. Julius-Kühn-Archiv 432: 36 - 37.