Riesenbärenklau, Herkulesstaude
(Heracleum mantegazzianum Sommier & Levier)
Einfuhr- und Einschleppungswege
Als Zierpflanze wurde der Riesen-Bärenklau gegen Ende des 19. Jhdts. nach Europa (England) eingeführt.
Ausbreitungswege
Wind, Wasser, Gartenbau und gelegentlich auch Tiere (epizoochor), mit Samen versetzte Materialtransporte sowie (Boden)aushub, Geräte, Kraftfahrzeuge, unsachgemäße Entsorgung, Gartenflüchtling.
Erkennungsmerkmale
Beim Riesenbärenklau handelt es sich um eine kräftige Staude mit einer Höhe bis zu 4 (5) m. Der Stängel ist hohl, gefurcht, im unteren Teil gefleckt und am Grund bis zu 10 cm dick. Die tief 3- oder 5-fiederteiligen Blätter können bis zu 1 (2) Meter groß werden. Die weißen Blüten sind zu Doppeldolden bis zu 50 cm Durchmesser zusammengefasst und von Juni bis August zu sehen. Die bis zu 50.000 Früchte pro Pflanze besitzen eine flache, ovale Form und sind 10-14 mm lang. Bei Reife gut zu erkennen sind die einseitig verdickten Ölstriemen auf den Früchten.
Auswirkungen des Klimawandels
Eine Klimawandel bedingte Zunahme des Invasionsrisikos wird nicht erwartet, da der Riesen-Bärenklau längere Trockenheit und hohe Temperaturen nicht verträgt. Vermutlich werden sich die Verbreitungsareale verschieben.
Biologie und Ökologie
Der Riesenbärenklau besiedelt frische bis nasse Hochstaudenfluren, Ufer von Fließ- und Stillgewässern, Waldränder, Waldlichtungen, Straßenränder sowie Grünlandbrachen. Er ist relativ kurzlebig und stirbt nach Bildung des Blütenstandes, in der Regel im zweiten Jahr nach der Keimung, vollständig ab. Die Lebenszeit dieser Art kann sich unter Umständen um einige Jahre verlängern, wenn die Pflanze vor der Blütezeit abgeschnitten wird oder an einem ungünstigen Standort heranwächst. Der Riesenbärenklau ist nicht auf die Bestäubung von Insekten angewiesen, eine Selbstbestäubung unter ungünstigen Bedingungen ist möglich. Ausbreitung und Vermehrung erfolgen ausschließlich durch Samen, die bis zu 15 Jahre keimfähig bleiben und auch einige Tage schwimmfähig sind. In 1 m² Boden können sich bis zu 12.000 Samen befinden. Seine Bekämpfung wird durch diese enorm hohe Samenproduktion sowie durch die gute Regenerationsfähigkeit erschwert.
Negative ökologische Auswirkungen
Dominanzbestände des Riesenbärenklaus konkurrieren mit standorttypischen Pflanzen um Nährstoffe, Wasser und Licht, wobei heimische Arten gerne verdrängt werden. Oftmals kommt es dann zu einer Veränderung der Artenzusammensetzung (Pflanzen und Tiere). Zudem ist eine Gefährdung des heimischen Wiesenbärenklaus (Heracleum sphondyllium) durch Hybridisierung mit dieser Art möglich.
Negative ökonomische Auswirkungen
Erosionsgefahr an Gewässerböschungen, erhöhte Kosten im Gesundheitsbereich, erhöhter Pflegeaufwand bei Straßenerhaltung, Parkpflege, Verkehrssicherheit, an Spielplätzen sowie erschwerte Zugängigkeit von Uferabschnitten. Durch Auftreten von Dominanzbeständen können sich negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft (Ertragseinbußen) ergeben.
Positive ökonomische Auswirkungen
Keine bekannt. Jeglicher Handel oder Freisetzung in die Natur ist seit der EU-Listung untersagt!
Negative gesundheitliche Auswirkungen
Der Kontakt mit dem Pflanzensaft, in Kombination mit UV-Strahlung und Schweiß, kann zu Hautreizungen und Verbrennungen bis zum 3. Grad führen (phototoxische Reaktion). Verantwortlich dafür sind die, in der Pflanze enthaltenen Inhaltsstoffe, sogenannte Furanocumarine.
Auch Tiere sind an den von Haaren nicht bedeckten Stellen empfindlich und reagieren mit Hautentzündungen.
Krankheitsverlauf:
- Zeitpunkt maximaler Gefährdung nach Kontakt mit dem Saft: 30 Minuten bis 2 Stunden.
- 24 Stunden danach: Hautrötungen gefolgt von Ödemen (Flüssigkeitsansammlungen).
- Nach 1 Woche: starke Verdunkelung der Haut (Hyperpigmentierung), die monatelang anhalten kann und dem Sonnenlicht nicht ausgesetzt werden soll.
Wichtig:
- Betroffene Hautstelle nach Kontaktnahme mit dem Pflanzensaft schnellstmöglich mit Seife und Wasser abwaschen.
- 48 Stunden kein Sonnenlicht auf die betroffenen Hautstellen lassen.
- Sonnencreme auftragen.
- Arzt aufsuchen.
Managementmaßnahmen
Ziele der Maßnahmen
Die vollständige Beseitigung kleinerer Bestände bzw. größerer isolierter Vorkommen ist durch die Kombination von Maßnahmen möglich. Eine vollständige Beseitigung in Österreich ist hingegen nicht mehr durchführbar,. Insbesondere in Schutzgebieten, ökologisch hochwertigen Flächen und an von Menschen stark frequentierten Standorten ist eine Beseitigung, trotz des hohen Aufwands, vordringlich. Bestandsreduktionen dienen vorsorglich der Vermeidung der weiteren Ausbreitung. Eine Kosten-Nutzen-Analyse für Deutschland erbrachte einen Nutzen von Bekämpfungsmaßnahmen von über 50 Millionen Euro pro Jahr (Rajmis et al. 2017).
- Öffentlichkeitsarbeit.
- Verhinderung der (un)absichtlichen Ausbreitung.
- Vermeidung offener Böden.
- Unbelastete nicht mit belasteten Böden mischen.
- Gründliche Reinigung benutzter Geräte, Fahrzeuge, Kleidung und Schuhwerk.
- Fruchtstände und Samen benötigen eine Temperatur von ca. 70° um unschädlich gemacht zu werden.
- Nach jeder Bekämpfung ist eine mehrjährige Nachkontrolle notwendig, da sich im Boden ein keimfähiger Samenvorrat (Samenbank) befindet.
- Standortgerechte Begrünung nach Durchführung von Bekämpfungsmaßnahmen sowie Begrünung von Aushub- und Humuszwischenlagern mit standortgerechten, tief wurzelnden Pflanzen (um eine Besiedlung bzw. Wiederbesiedlung zu verhindern).
Bekämpfungsmaßnahmen
Einzelpflanzen und kleine Bestände:
- Abstechen oder Ausgraben der Wurzel im Frühjahr und Herbst.
- Jungpflanzen zu Beginn der Vegetationsperiode ausreißen.
- Entfernung der Blütendolden kurz vor Bildung der Samen.
Dominanzbestände (ab 20 Pflanzen pro 10 m²)
- Mehrmalige Mahd maschinell oder händisch (2 - 3x pro Jahr zu Beginn bzw. während der Blüte).
- Fräsen (am effektivsten nach der Mahd bis in eine Tiefe von 10 - 15 cm) und anschließend sofortige Begrünung mit geeignetem Saatgut.
- Pflügen bis zu 24 cm tief, um eine Verschüttung der Samen zu erlangen.
- Beweidung von Jungpflanzen mit Schafen, Ziegen oder Schweinen bei für Maschinen nicht zugänglichen Flächen.
- Einsatz von Herbiziden: Beginn im Frühjahr bei einer Wuchshöhe von 20 - 50 cm, Nachbehandlung gegen Ende Mai.
Entsprechende gesetzliche Bestimmungen und Anwendungshinweise sind einzuhalten!
Der Einsatz ist in Gewässernähe verboten (Gewässerschutzbestimmungen!).
Anwendung nur bei trockenem Wetter und Windstille.
Nachteil: Alle übrigen Pflanzen in unmittelbarar Nähe werden damit ebenfalls vernichtet!
Achtung:
Eine Bekämpfung ist nur mit geeigneter Schutzkleidung (Handschuhe, Mundschutz und Schutzbrille) durchzuführen. Keine Baumwollbekleidung oder Einweg Schutzanzüge aus dünnem Material verwenden, da der Pflanzensaft dieses durchdringt! Die Maßnahmen nie bei prallem Sonnenlicht, sondern am frühen Abend oder bedecktem, regnerischem Tag, umsetzen!
Entsorgung
- Bei Transporten von biogenem Material sind ausschließlich geschlossene Systeme zu verwenden, um einer weiteren Verbreitung entgegen zu wirken.
- Mit keimfähigen Teilen belasteter Bodenaushub ist aus fachlicher Sicht auf eine behördlich genehmigte Deponie zu verbringen.
- Das Verbrennen von biogenen und nicht biogenen Materialien außerhalb von genehmigten Anlagen ist gemäß Bundesluftreinhaltegesetz idgF verboten!
Private Flächen
Nicht blühende Pflanzen
- Hausgartenkompostierung
- Biotonne (nur gut von Erde befreiten Riesenbärenklauabfall einwerfen!)
Wenn möglich, nach der Managementmaßnahme die Pflanze(n) vor Ort belassen, um eine eventuelle weitere Verbreitung von Samen, die an der ausgegrabenen Erde anhaften, über die Biotonne zu vermeiden.
Blühende/Fruchtende Pflanzen
- Restmüll (sehr gut verpackt)
Öffentliche Flächen
- Beauftragung durch ein befugtes Entsorgungsunternehmen.
Weitere Verwertung in einer genehmigten Kompostier- oder entsprechend genehmigten Biogasanlage.
Ausnahmen: Land- und Forstwirtschaft
Fallen invasive gebietsfremde Arten im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes an, dürfen sie im unmittelbaren Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes einer zulässigen Verwendung zugeführt werden.
Wissenswertes
Die Herkulesstaude war wegen ihrer imposanten Erscheinung als Zierpflanze in den Adelsgärten überaus beliebt.
Zar Alexander I von Russland übergab am Wiener Kongress (1814) Fürst Metternich als Gastgeschenk eine wertvolle Malachit Vase voll mit Samen des Riesenbärenklaus. Dieser ließ sie in seiner Sommerresidenz in Böhmen anpflanzen. Die daraus entstandenen Pflanzen gediehen prächtig und deren Samen wurden wiederum getauscht. Auch der damals bereits sehr betagte Dichter Goethe pflanzte sie in seinem Garten und stieg auf einem Treppchen zu den mächtigen Blütendolden empor, um die Blüten und Samen zu studieren. Neben den Adeligen verbreiteten auch die Imker fleißig diese Pflanze, als Futter für ihre Bienen. Mitte des letzten Jahrhunderts setzte dann plötzlich die Eroberung verschiedener Lebensraumtypen ein. Sogar die Rockband „Genesis" widmete dem „Giant Hogweed", wie der Riesenbärenklau auf Englisch heißt, ein Lied und warnte (ironisch) vor seiner Gefährlichkeit.
Die Herkulesstaude ist in den früheren „Ostblockstaaten" auch als „Stalins Rache" bekannt. Auf persönlichen Erlass von Josef Stalin, der mit dieser Pflanze in Russland das Problem der Viehfutterknappheit lösen wollte und ihre Kultivierung anordnete, kam es zur massenhaften Verbreitung. Gegen Ende 1940 bis in die 1970er Jahre gab es aktive Anpflanzungen. Durch dieses Viehfutter wurde jedoch die Milch der Kühe bitter und war zum Verzehr nicht geeignet.
Die verwilderten Kulturen sowie deren weitere Ausbreitung konnten nicht mehr eingedämmt und verhindert werden.
Der Riesen-Bärenklau besitzt möglicherweise ein medizinisches Potenzial, da die Art, wie auch andere Heracleum-Arten, testosteronähnliche Substanzen produziert.
Verwechslungsmöglichkeit
Der Riesenbärenklau wird immer wieder mit dem heimischen Wiesenbärenklau (Heracleum sphondyllium), und der Waldengelwurz (Angelica sylvestris) verwechselt. Allein schon durch die Größe des Riesenbärenklaus, ist ein Unterschied zu den genannten Arten gegeben. Die stark eingeschnittenen, großen Blätter sind ein weiteres gutes Unterscheidungsmerkmal. Genauere Unterscheidungsmerkmale von Riesen- und Wiesenbärenklau sind unter
https://www.lokalkompass.de/xanten/c-natur-garten/wiesen-baerenklau-oder-riesen-baerenklau-wissenswertes-ueber-beide-arten_a572173 zu finden.
Literaturauswahl
ESSL, F. & RABITSCH, W. (2002): Neobiota in Österreich. - Umweltbundesamt, Wien, 432pp.
KLEINBAUER, I. & al. (2010): Ausbreitungspotenzial ausgewählter neophytischer Gefäßpflanzen unter Klimawandel in Deutschland und Österreich. - BfN-Skripten 275: 1 - 74.
KOWARIK, I. (2010): Biologische Invasionen. Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. - 2. Auflage, Ulmer Verlag, 492pp.
NEHRING, S., KOWARIK, I., RABITSCH, W. & ESSL, F. (2013): Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen. BfN-Skripten 352: 1-202.
RAJMIS, S. et al. (2017): A cost-benefit analysis of controlling giant hogweed (Heracleum mantegazzianum) in
Germany using a choice experiment approach NeoBiota 31: 19-41.
SCHUH, T. et al. (2018): Neophyten. Nichteinheimische Pflanzenarten auf Bahnanlagen, ÖBB-Folder_Neophyten.
STORL, W-D. (2014): Wandernde Pflanzen. - AT Verlag, 2. Auflage, 320 pp.
WEBER, E. (2013): Invasive Pflanzen der Schweiz. - Haupt Verlag, 224 pp.
https://www.infoflora.ch/de/assets/content/documents/neophyten/inva_hera_man_d.pdf
https://www.korina.info/
https://www.oewav.at/Downloads/Neophyten